|
Kurze Architekturgeschichte der Türkei
Jahrhundertwende, Eklektizismus und Jugendstil (ab 1890-1920)
Die Jahrhundertwende ist gekennzeichnet vom starken Städtewachstum und damit zusammenhängenden Modernisierungsmaßnahmen,
die mit einer Hinwendung zum Westen einhergehen. In Europa ausgebildete Architekten prägen zunehmend die Stadtbilder und machen
den Eklektizismus in all seinen Ausprägungen populär. Speziell in Istanbul hat auch der Jugendstil eine Blütezeit
in Anlehnung an den Stil der Französischen Art Nouveau.
1882 wird die erste Türkische Kunsthochschule
nach dem Vorbild der Pariser École Nationale des Beaux-Arts eröffnet, zwei Jahre später folgt die deutsch beeinflusste Hochschule
für Bauingenieurwesen, Hoch- und Tiefbau (heute Technische Universität).
Die Erste Nationale Architekturbewegung (1912-29)
Seit dem ersten Balkankrieg 1912 wird eine neue Architekturströmung vorherrschend, die diesmal von Türkischen Architekten
angeführt wird und die Überwindung der europäisierten Importarchitektur zum Ziel hat. Die Erste Nationale
Architekturbewegung beruft sich auf die klassische Osmanische Baukultur und verarbeitet deren Formen in neuartiger Kombination
mit modernen Bautechniken.
Die Weltwirtschaftskrise sowie die aufkommende Moderne beenden den Erfolg dieser Richtung jedoch abrupt.
Klassische Moderne (ab 1923 - 1940)
Nach der Ausrufung der Türkischen Republik am 29.10.1923 durch Atatürk wird Ankara zur neuen Hauptstadt der Türkei,
deren Planung man in die Hände Europäischer Planer gibt. Atatürk sucht den Bruch mit dem alten Regime und den Neubeginn der
modernen Türkei auch in der Durchsetzung westlicher Architekturvorilder. Da die Türkei zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Moderne
kreiert hat, entscheidet man sich für den Kultur-Import. Die Folgejahre sind daher geprägt von einer intensiven Zusammenarbeit
mit europäischen und speziell deutschen Architekten und Planern, die auch viele Professorenstellen in den Hochschulen erhielten,
um eine neue Generation von modernen türkischen Architekten auszubilden.
Neben dem homogen modern geplanten Ankara entstehen in der restlichen Türkei nur einige wenige gebaute Beispiele der Klassischen
Moderne.
Exilarchitekten in der Türkei (1936-1945)
In der Zeit des Nationalsozialismus und des 2. Weltkrieges gingen mehrere Hundert Verfolgte ins Exil in die Türkei, darunter
mehrere Architekten, die zu den Protagonisten der Modernen Architekturbewegung zählen.
Zum Vorantreiben der Reformbestrebungen Atatürks waren Wissenschaftler und Akademiker in der Türkei zu dieser Zeit sehr willkommen,
und die Türkei wurde daher zu einem der wichtigsten Ziele der Wissenschaftsemigration. Bis 1945 hatten ca. 1000 Exilanten aus dem
deutschsprachigen Raum in der Türkei Zuflucht finden können. Die meisten blieben bis zum Ende des 2. Weltkrieges.
Die Zweite Nationale Architekturbewegung (1940-50)
Die Entstehung nationaler Architektur in europäischen Ländern verstärkt in der Türkei eine zunehmende Reaktion gegen die übernommene
Moderne und führt zur Entwicklung der Zweiten Nationalen Architekturbewegung mit dem Ziel eines wiederum eigenständigen Türkischen
Stils. Deren Bauten spiegeln eine Atmosphäre des Nationalismus und eine Hinwendung zur eigenen Identität wieder in der Berufung
auf einen traditionsbewussten Umgang mit der Aufgabe Planen und Bauen. Sie sind gekennzeichnet durch klassische türkische
Grundrißmuster und den Einsatz lokaler Baumaterialen und Gestaltungsformen.
International Style (ab 1950)
Ab den 50er Jahren wurde der Einfluß der Moderne aus Europa und den USA wieder stärker. Der 2. Weltkrieg war überstanden und die Türkei
wandte sich wieder versöhnlich dem Westen zu, was sich architektonisch im übernommenen rationalistischen Baustil wiederspiegelt.
So werden die Großstädte seit 1950 geprägt von diversen Großkonstruktionen in Form der Büro- und Hoteltürme, Staats- und
Kultureinrichtungen.
Im Gegensatz zu den vorangegangen Jahrzehnten übernahm die Architektur vermehrt das Gesicht des Internationalen Stils, das nur selten noch
etwas originäres Türkisches ausstrahlt.
|
|